Sonntag, 30. Juni 2013

Der grüne Schatten soll bleiben

der grüne schatten
soll bleiben
unter den schwingen der bäume
will ich den sommer umarmen
und er mag mir folgen
zum meer
das ich riechen kann
auch wenn sein strom
tief in der ferne liegt
mag der grüne schatten
über dem glatten fluss
wirft die sonne ein wolkenrelief
mag bleiben
das frisch geschnittene gras
ende juni
wenn am morgen tausilber
über der reifenden gerste
mag bleiben
die angeheftete wolke
über dem kommenden blau
der grüne schatten
soll bleiben
er nährt meine haut
während du auf der reise bist



Hermann Josef Schmitz







Freitag, 28. Juni 2013

Aufgabe

ich mag die städte nicht mehr
die keinen unterschied zwischen
tagen und nächten kennen
und sich längst rund um die uhr verkaufen
ich mag die städte nicht mehr
deren gebäude sich selbst entweiht haben
die sich den unruhigen schlaf
aus ihren grauen augen reiben
ich mag die städte nicht mehr
die sich so lange kultiviert haben
bis es keine plätze mehr gibt
an denen das leben seine eigenen wurzeln schlägt
ich mag die städte nicht mehr
die sich selbst aufgegeben haben
und in ihrer verzweiflung
immer größere schaufenster für ihre lügen bauen



Hermann Josef Schmitz


Habt ein schönes Wochenende und tankt Kraft, wo auch immer Ihr seid.

Mittwoch, 26. Juni 2013

Ungewiss

aus dem ungewissen
hinaus reisen
kleine siege erringen
mit leichtem herz
leuchten ins ungewisse



Hermann Josef Schmitz

Montag, 24. Juni 2013

Lichtscheitel - 8 Miniaturen

I

in der mitte
der blick
zu den rosenbannern
am horizont
schnell verneigendes blau


II

an den hängen
erlösen die regenhände
den duft
aus den blütenzäunen


III

das bitter gewordene
rot des mohns
vergänglichkeit und gedächtnis
kürzung und schattenwende


IV

deine rose
weint leise
vor glück
in der regendämmerung


V

im sommerpalast
wuchert das grün
bis zum lustvollen vergehen


VI

diese zeit
ein geschenk
aufgestellter freiheit
inmitten
der grossen bäume
bekommt das flirrende licht
einen ton
in der vorgetäuschten stille


VII

immer ist der tag
zu kurz
am dem das licht
riskanter wird


VIII

der abend
ein versprechen
das licht
eine aufgefaltete verheissung


Hermann Josef Schmitz

Samstag, 22. Juni 2013

Voller Blüte

die sommernächte stehn in voller blüte
auf deinen dunklen flüssen flirrt der leise traum
und in den hinterhöfen werfen karge bäume
mit ihren ästen schatten in die dunkelheit
von woher kommt des weges rat und kluge richtung
und wohin geht der traum wenn sich der morgen nährt
die antwort bleibt sich wie so oft im ansatz pures rätsel
nur sommernächte stehn in voller blüte
und frühes grün auf deines herzens fensterbrett


Hermann Josef Schmitz

Sonntag, 16. Juni 2013

Erste Wahl

schließ das blätterwerk
der enttäuschungen
wenigstens für einen tag
orte die stille
weitab von den
besinnungslosen empörungen
und gib deinem leben
die dauerhafte gelegenheit
erste wahl sein zu dürfen


Hermann Josef Schmitz

Freitag, 14. Juni 2013

Ich liege so gerne bei Dir

ich liege so gerne
bei dir
wenn draußen
der wind
durch die grünen blätter schlendert
liege ich so gerne
bei dir
wenn wortlos
der atem vorbeikommt
wie eine unscheinbare welle
liege ich so gerne
bei dir
bewegungslos
nur das flackern
deiner linken wimper
im blick
ich liege so gerne
bei dir



Hermann Josef Schmitz


In diesem Sinne wünsche ich Euch ein feines Wochenende mit vielen leisen Augenblicken von links und rechts.

Mittwoch, 12. Juni 2013

... und bleibt

du füllst die leeren räume
mit dem atemzug deines schlüssels
dem rauhen schlag der wimpern
und der spur
die dein federnder gang
in die luft legt
und bleibt
wenn sich dein herzschlag
wieder ins räderwerk fügt



Hermann Josef Schmitz

Montag, 10. Juni 2013

Scheuer Mohn

der scheue mohn
an den kühlen morgenhängen
brennt sich
unerbittlich in dein gedächtnis
färbt sich rotes pergament
wort und wortlosigkeit
trost des frühsommers
brennende prophezeiung
eines tages wirst du anhalten
den rückweg antreten
endlich zu dem gelangt sein
wohin dich scheuer mohn
in der morgenkühle führt
leise in ein anderes leben



Hermann Josef Schmitz




Samstag, 8. Juni 2013

Alles in bester Ordnung

alles in bester ordnung
wären da nur nicht
die kleinigkeiten
überhandgenommene unwichtigkeiten
beschönigte wahrheiten
eine sauber geschnittene kante
über die du schon in der frühe stolperst
vor lauter anspruch
alles in bester ordnung
sagt das falsche gewissen
und reiht sich sorglos
über den schleier des grauens



Hermann Josef Schmitz

Donnerstag, 6. Juni 2013

Unerwartet

wieder machen
die unscheinbaren ängste
station ohne zu fragen
und du kennst
ihre abfahrtszeit nicht



Hermann Josef Schmitz


Aktuelles Lesebuch, eigenwillig, manchmal schräg und psychologisch :-)




Dienstag, 4. Juni 2013

Überschaubar

altäre bautest du
im kleinen zimmer
schwankest zwischen
schuld und vergebung
war die welt überschaubar
in den atlanten
kanntest du alle länder
sie waren selten mehr
als eines fingers breite
und alle sätze
die du lesen konntest
über die gefundenen orte
hatten doch keinen bestand
altäre bautest du
aus kirmesblumen
und verstohlen
aus einem tränenden herz



Hermann Josef Schmitz


Sonntag, 2. Juni 2013

Einzige Handhabung

weinte der goldregen nicht mehr
bliebe der ruppige wind in der kurve stehen
hielte das blau einen tag länger
kämen rehe nicht mehr aus den wäldern
kehrten wir den verfehlungen den rücken
bliebe das zärtliche unsere einzige handhabung
auf der entmündigten zeit



Hermann Josef Schmitz