Freitag, 30. Juni 2017

Unterbewusstsein

plötzlich legt jemand unbedacht
deine erinnerungen bloß
die blinden flecken der eigenen biographie
tragen wieder ein gesicht
die trägen türen schlagen scheppernd zu
zeiten greifen ineinander
wolken überschlagen sich
hinter dem gestern
hinter den ergrauten tagen
willst du nach antworten greifen
aber hinter dem gestern
sind die fragen unscharf geworden
und einen tag lang bleibt alles ungewiss
bis morgen



Hermann Josef Schmitz



Möge Euch das Unterbewusstsein am Wochenende nur Schönes bescheren.




Mittwoch, 28. Juni 2017

Laufwerk II

die wälder
am beginn des sommers
beben im frühen graulicht
aufgebracht zimmern
die vögel ihr tageshaus
und die bäume warten
in ihrem zittern und zehren
nach einem lang ersehnten regen
der sie wieder atmen lässt
und der den lärm der in
die muster ihrer äste drängt
das echo aller messer
die die gräser schneiden
das müde schreien
von den strassen und den himmeln
der diesen lärm
in eine stille zwängt
für eine nacht
für einen frühen morgen



Hermann Josef Schmitz


Ich habe inzwischen wieder viel Laune an Vinyl und der liebe Herr B. hat mich mit einem weiteren Werk von Herbert Grönemeyer beschenkt. Das hört sich wunderbar an und knistert ein bisschen ;-).



Montag, 26. Juni 2017

Segen

nur eine schmale strasse
teilt die weiten felder
die am abend immer noch
in voller blüte stehen
ein warmes weiches licht
aus tausend tagessonnen
hebt sich hinauf
zum ersten rand der dämmerung
und wirft sich wie ein grosser segen
auf diese weiten felder
deren schlanke ähren
noch frisch und unbekümmert stehen
und wirft sich wie ein grosser segen
auf diese weiten felder
und treibt die reife
einer jeden ähre zu jenem tag
an dem die felder gross und hell
in reifem glanze stehen werden
wie eines jungen mädchens klarer blick
ins grosse unbekannte sein
von einem neuen leben



Hermann Josef Schmitz

Samstag, 24. Juni 2017

Laufwerk I

in die grauen luftfäden
fügen sich im wechselspiel die schritte
wache augen wandern über steine
streifen stämme zweige blätter


in die mageren lichtfäden
von frühe zu frühe springend
wachsen atemseiten zueinander
wechseln ihre worte ein und aus


in die stillen blutfäden
speichern sich die pulstöne
räumen alles graue aus den horizonten
weben aus der frühe einen neuen tag



Hermann Josef Schmitz


Und nochmals Hellmut Hattler mit der wunderbaren Fola Dada ... das ist die Musik, die mich am Freitagabend gerade sehr frisch hält.




Donnerstag, 22. Juni 2017

Paradies

I

wunderbare lücken der stille
an einem nachmittag
geborgen in einer landschaft
in der sich der sommer formt



II

seitwärts lehnen sich die hohen bäume
an das geraspelte licht
am wolkengürtel wohnt die verheißung
aus dem ungesprochenen wort



III

in den zimmern ohne wände
der verweis an die gelistete zeit
ich lege ein album an
in dem die geflüsterten zärtlichkeiten wohnen



Hermann Josef Schmitz

Dienstag, 20. Juni 2017

Von einer anderen Güte

die erinnerungen verblassen
sie werden schmerzloser von jahr zu jahr
keine einzige stunde dieser zeit
birgt mehr gefahr als sonst
die liebenden mit ihrem leuchtenden vermächtnis
erinnern eine spätere fassung
die erkenntnisse bleiben unzeitgemäß
in ihren ungeschriebenen büchern
und die chronisten in mir
klagen über mangelnde wertschätzung
aber es ist von einer anderen güte
dieses leben heute fern der gespaltenen steine



Hermann Josef Schmitz

Sonntag, 18. Juni 2017

Am Abend

wurzele nahe
der dunklen malvenblüte
lege die schweren worte
in den schatten ihrer blätter
atme leise den schimmer
ihrer im wind zitternden blüte
wurzele nahe
dem aufgegangenen licht



Hermann Josef Schmitz



Freitag, 16. Juni 2017

Nüchtern

sie blieben selbst ernannte könige
und schrieben sich den alltag schön
wenn niemand sie zu helden kürte
machten sie es kurzerhand selbst
sie betteten sich in ihre farblosen zwänge
und trugen ihr korsett aus glaubhaften lügen
längst hatten sie die umarmungen
gegen das lob der zahlen getauscht
sie waren beständig und leidenschaftslos
wie eingeschriebene rechnungen an sich selbst
sie kannten glückliche dienstbeziehungen
und ihre abhängigkeiten ohne versatz



Hermann Josef Schmitz



Auf ein schönes Wochenende, in dem Ihr mit Eurem ganzen Leben und Eurer ganzen Leidenschaft steckt.