Dienstag, 29. September 2020

September III

nachtregen hat dem morgen die stille geschenkt
die landschaft berührt mich auf ihre unberührte art
sie ist sich gleich und verwachsen nach ihrem eigenen glück
selten wählt jemand einen morgen unter der dunklen wolkenherde
aber die landschaft ist da und wächst aus der zeit
sie braucht keinen widerstand und kein lautes klagen
immer ist sie ihr eigener regisseur und verwebt selbst ihr vergehen
nachtregen hat dem morgen die schönheit geschenkt
am flusslauf flüstern die steine ins müde baumlicht hinein



Hermann Josef Schmitz

Sonntag, 27. September 2020

Ein ganzes Leben für einmal

wir lebten flügelleicht
in einer ausgewilderten herbstzeit
die himmel waren für uns bestimmt
in den gräsern lagen noch sommernester
wir wussten um diesen einen tag
und dachten den nächsten nur ungefähr
die wenigen stunden
waren ein ganzes leben für einmal
zwischen verblühendem klee
wagten wir uns weit in die gedanken
zugvögel waren bereit
schmetterlinge taumelten in der späten sonne
und wir versiegelten die aufgebrachte stille
hinter dem blaugrünen meer



                                                           für Annemarie


Hermann Josef Schmitz

Freitag, 25. September 2020

5.000

zwischen den luftlinien
im windschatten der worte
fand ich fern von illusionen
deinen raum ohne fenster
die anmutigkeit einer stunde
löste die überdauerten tage
du schriebst die horizonte neu
eine sehnsucht ging vorbei
und legte einen lichtsaum an
zwischen den spröden zahlen
im wechselschritt der schrift
zeigtest du mir meine herkunft
du löstest die trostpflaster
warfst das angekreuzte glück weg
und jenseits der schlagbäume
liebten und nährten wir uns
und wussten um wege
die wir nicht vollenden mussten
zwischen den welten
wurden wir bedingungslos weit



                                                           für Annemarie


Hermann Josef Schmitz



Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Feiertage im Leben geben kann. Ich hätte nie gedacht, dass Glas und Worte so einen poetischen Zugang füreinander haben können.

Danke für 5.000 Tage!!!



Mittwoch, 23. September 2020

Noch nicht

noch lasse ich die fallenden blätter
nicht auf meinen traumstraßen schlafen
ein letztes mal will ich den grund
der warmen sommerwellen spüren
den hellen nachmittagen atemlos
ein strömend blühen überlassen
den bäumen neige ich mich zu
wie einer ersten großen liebe
noch lasse ich die blassen schatten
nicht ans ufer meiner sommermeere



Hermann Josef Schmitz

Montag, 21. September 2020

Sehnsucht

über die meere und berge kam die sehnsucht
blieb ohne unterlass in unserem gepäck
keine wellen die uns ihre umarmungen schenkten
ungelöst blieb die erinnerung an die uferfarben
über die wolken und steppen kam die sehnsucht
wir verpassten die salzenen luftflüsse für ein jahr
blieben den anlandenden wassern fern
suchten vergeblich die aufgelösten schatten der frühe
über die sterne und wälder kam die sehnsucht
nach stimmungen die keine worte brauchen
einem offenkundigen herz und liebender haut
brunnen voller morgengesang und leuchtender nacht
über die meere und lüfte kam die sehnsucht



Hermann Josef Schmitz



Heute wären wir nach Korsika geflogen 😢



Samstag, 19. September 2020

September II

die abende sind leiser geworden
im vergehenden licht verlieren sich die kanten
weich werden die bewegungen
und die letzten vögel verschwimmen in der luft
die menschen sind leiser geworden
im verlust des tages kommen die sehnsüchte
liebevoll werden die begegnungen
und die bäume öffnen ihr lauschendes nachtherz



Hermann Josef Schmitz

Donnerstag, 17. September 2020

Keine Antworten

im taumel der ungerechtigkeit
suche ich die leichtigkeit
des vergehenden sommers
worte ballen sich zu einem geflecht
ihre anklagen bleibt ungehört
hinter dem schallgerüst verschränken sich alte männer
in den nächten stehen die anklagenden
zwischen meinen traumstunden
sie flehen tränenlos und ohne worte
vom verlust ihrer heimat am verlorenen ort
vom verlust ihres lebens im leben
und ich habe keine antworten
weder für sie noch für mich



Hermann Josef Schmitz

Und wieder gibt es Bücher, die ich in den letzten Wochen gelesen habe:

»Der Mann, der Glück brachte« von Claude Cueni
Es braucht ein bisschen um in dieses traurigschöne Buch reinzukommen und dann wollte ich nicht mehr raus aus diesem Glück, das im Kleinen beinahe poetisch ist.

»An einem einsamen Ort« von Mari Jungstedt
Gefunden im Bücherschrank vom Fundstueck. Eine Krimi, dessen Auflösung lange braucht und der auf Gotland spielt. Eines aus einer Reihe um den Kommissar Anders Knutas. Und für mich sicher nicht das letzte.


»Die Falle« von Melanie Raabe
Mein zweites Buch von Melanie Raabe in diesem Sommer. Und der Plot ist wieder sehr spannend: Eine berühmte Bestsellerautorin hat seit vielen Jahren ihr Haus nicht mehr verlassen. Als sie im Fernsehen den Mann zu erkennen glaubt, der vor Jahren ihre Schwester umgebracht hat, versucht sie, ihm eine Falle zu stellen – und gibt selbst den Köder.



Freuen tue ich mich heute auf Morgen: Das neue Album von Wolfgang Niedeckens BAP erscheint – »Alles fliesst« – das 20. Studioalbum von BAP. Und das gehört wie alle anderen Alben dann auch mir
😊.





Dienstag, 15. September 2020

11092020 // S 01 L // 1:02:18

als wäre ein wald ein wald als hätte die gleiche länge einer strecke etwas zu sagen mit jedem neuen schritt fällt etwas neues in meinen blick die blätter sind heute anders als gestern und die ungebauten brücken warten auf ihre meisterzeichner menschen sterben und kennzahlen versperren offene türen nie schließen sich die wunden und doch halten wir die wunder der zeit in all dem namenlosen schmerz der bis in die zehenspitzen wirkt in unseren offenen händen der sommer vollendet sich auf der letzten strecke gotisch muten die geneigten baumspitzen wucherungen streifen die feuchten steine und häute die farben verschwimmen und vermehren sich das vergehen hat tradition bis zum entblühen und die versäumnisse tragen die hoffnung auf das nie gleiche wiederholen als wäre eine träne eine träne als hätte der gleiche herzschlag eines inneren das gleiche zu sagen


Hermann Josef Schmitz

Sonntag, 13. September 2020

Über die Jahre hinweg

über die jahre hinweg
orte plätze wälder und meere erkunden
namen vergeben in deinen eigenen atlanten
einfach weitergehen auf deinem weg
landschaften bergen für herzbücher


über die jahre hinweg
wege anlegen für jedes neue jahr
sich freuen an der schönheit von biegungen
an kreuzungen neue verzweigungen auftun
etwas verpassen und neugierig bleiben


über die jahre hinweg
sich neuen wegen öffnen und vertrauen
und sich vertrauten wegen neu öffnen
menschen begegnen anhalten umarmen
um jede behütung und jeden schutz dankbar sein


über die jahre hinweg
den eigenen anforderungen nicht immer standhalten
umkehren dürfen und sich wieder selbst aufschwingen
geliebt werden und unbedingt lieben
und einfach weitergehen auf deinem weg



                                                                                   für Rosa


Hermann Josef Schmitz