Sonntag, 25. Juli 2021

Venedig I

I

bleigrau stapeln sich wasserschichten inmitten der schönheit prognostizieren die realisten untergänge menschen leben in den tag und aus dem tag wie schon immer brüchig die schönheit ungewiss die vergehende zeit die fragen ufern ins licht türme wachsen in den himmel lichterketten erheben sich in den vorräumen der träume lautlos entgleitet der übergang


II

augen laufen über ob der fragilen eleganz von jahrhunderten die farben haben ihre eigene geschichte genauso wie die geheimnisse von glas immer verändert sich bleibendes und bewahrt sich zugleich gesänge glockengeläut fremde sprachen


III

in den fenstern wächst tiefgrünes moos hohe dächer hüten das wort glasgräser werden zu ufern unentwegt fließen die schritte aber zwischen den türen verwittern zugänge verführungen zerwürfnisse die erinnerungen an wunder aber in den fenstern wächst tiefgrünes moos kuppeln werfen ihren schatten auf die piazza hier will ich bleiben dämmern vergessen schweigen vor glück


IV

fragile türme eine insel mit einer anderen vergangenheit boote in grün längst entkommen die einen den anderen und glauben besonders zu werden aber die schönheit der wände der fenster der hellen glocken bleibt beständig sie dringt durch die gewässer der herkunft und der mann mit der fremd bleibenden sprache beharrt auf die würde dieser vergänglichen zeit dort auf dem kirchplatz brennen die gebete unaufhörlich


V

vielleicht bleibt dem einzelnen am ende nur das vertrauen auf eine unerwartete wendung


Hermann Josef Schmitz



Ein kleiner Eindruck von den letzten Tagen in Venedig. Die Stadt lässt sich in ihrer Fülle nicht wirklich erfassen, aber umgekehrt erfasst sie einen sehr. Und es möge vieles an Gutem geschehen, dass der Untergang dieses besonderen Ortes vermieden wird.