Mittwoch, 2. Februar 2022

Distanz

die aufrichtigkeit
ist aus ihren atlanten verschwunden
immer tragen sie
auch die zweite wahrheit im gepäck
sie bleiben standhaft
in der anderen fremden wirklichkeit
aber die aufrichtigkeit
ist aus ihren gedächtnissen verschwunden
sie haben den beifall
der fremden hinten angestellt
und kokettieren souverän
mit den ängsten ihrer anvertrauten



Hermann Josef Schmitz


Dieses Mal gibt es wieder die kleine Übersicht über die 5 zuletzt gelesenen Bücher. Allesamt lesenswert und von Autor*innen, die ich noch nicht kannte.

«Die letzte Analyse » von Amanda Cross
Kate Fansler, Literaturprofessorin ist die Hauptfigur dieses Kriminalromans, der doch viel mehr ist als ein Kriminalroman. Amanda Cross schreibt über ihre Suche nach der Unschuld ihres Freundes und früheren Liebhabers. Er – Psychoanalytiker – soll eine Klientin ermordet haben. Das passt so gar nicht in die Vorstellung, die Kate Fansler von ihm hat. Mit Hilfe der Literatur geht sie andere Wege, spannend, hintergründig wie elegant und wortstark.  

«Ein Sonntag mit Elena» von Fabio Geda
Die Begegnung mit Elena und ihrem Sohn verändert das Leben eines älteren Mannes, der eher zurückgezogen und still in seiner Turiner Wohnung lebt. Zu seinen Kindern hat er nur wenig bis keinen Kontakt. Und als seine Tochter kurzfristig die Einladung zum Essen absagt, scheint es wieder einer der tristen Sonntage zu werden. Bei einem Spaziergang im Park lernt er zufällig Elena und ihren Sohn kennen, lädt sie zum Essen ein und sein Leben bekommt ebenso eine Veränderung wie für seine beiden Gäste. Ich habe vor allem das Leise, das Unaufgeregte und das Herzliche sehr gemocht.

«Ein Hummerleben» von Erik Fosnes Hansen
Die Geschichte eines Grand Hotels in den norwegischen Bergen, das zunehmend seinen Lack verloren hat und ums Überleben kämpft. Geschrieben mit der Perspektive des 13jährigen Enkels der Inhaber, der im Hotel für vielfältige Aufgaben eingebunden wird. Zunehmend erkennt der Teenager, was hinter der Fassade geschehen ist und andauernd geschieht. Und wenn es auch lange nur eine beiläufige Spannung hat, nimmt es gegen Ende einen großen Schwung und endet … ich lasse es offen
😉

«Wildtriebe» von Ute Mank
Zwei Frauen im Wirtschaftswunder-Deutschland (eine alte Großbäuerin und ihre Schwiegertochter) und ihre stillen Gefechte, die sie miteinander und oft wortlos austragen. Zwei unterschiedliche Vorstellungen vom Leben, von den täglichen Pflichten, von den Entwürfen und Plänen, die sie für ihr Leben anlegen und anlegen wollen. Und eine Enkelin bzw. Tochter, die einen anderen Weg geht und doch auch immer wieder Verbindungen herstellt.
 
«Ein schönes Paar» von Gert Loschütz
Bei der Auflösung des Hauses seiner verstorbenen Eltern wird ihr Sohn von deren Vergangenheit eingeholt. Mehr und mehr wird ihm klar, wie die Trennung im geteilten Deutschland und das spätere Zusammenkommen die Liebe auf verschiedene Art geteilt hat. Dass es bei aller Trennung aber auch einen ganz anderen stärkeren Zusammenhalt zwischen den beiden gab, wird es spät deutlich. Mit jeder Seite zunehmend spannend.