Mittwoch, 23. Oktober 2024

Ungewiss

es gibt nur den moment der gegenwart
der sich ein leben lang fest aneinanderreiht
es wächst mit jedem tag die brücke zur erinnerung
die nur im herzen einen halt empfindet
kein blickwinkel in all das ungelebte leben
ist von einem einzigen grad verlässlichkeit
es bleibt vor allem aber ungewiss
wie lange diese welt noch zärtlich ist



Hermann Josef Schmitz

Hier kommen endlich die nächsten gelesenen Bücher daher 😊 - Ferienlektüre Teil 3:

«Nachts erzähle ich dir alles» von Anika Landsteiner

Die Hauptfigur des Romans sucht nach einer Trennung die Auszeit im Familienanwesen in Südfrankreich. Dort erhält sie überraschenden Besuch von einer jungen Frau aus dem Nachbarort, die am nächsten Tag tot ist. Damit ist es mit der ruhigen Auszeit schon vorbei, denn der Bruder der Toten tritt vielfältig in ihr Leben und gemeinsam versuchen sie die Ursache für den Tod herauszufinden. Gleichzeitig hat sie einen auflebenden Kontakt mit einer alten Freundin ihrer Mutter. So entstehen Verbindungen in die Vergangenheit, lösen sich ungeklärte Zeiten und Fragen.
Ich bin bis zum Schluss unschlüssig geblieben, wie gut mir das Buch gefällt. Immer wieder hatte es etwas sehr Spannendes und Berührendes, an manchen Stellen aber auch etwas beinahe Triviales.


«Von Leidenschaften und Verlusten» von Martin Bartholme

Das zweite Buch von Martin Bartholme war das erste, an dem ich im besten Sinne hängenblieb. Auch wenn der Autor 26 Jahre jünger als ich ist, berühren mich seine Kurzgeschichten und legen einen Anker in meine Vergangenheit. Gleichzeitig sind Geschichten dabei, die aktueller nicht sein können. Dann habe ich es weggelegt, weil ich Kurzgeschichten nie hintereinander lese und mir sie auf Korsika nochmal alle gegönnt. Vom spontanen Ausflug ans Meer, von der Musik, die einsame Wölfe sich bewahren, von Leidenschaft und Angst bis zum Blick in den 2. Weltkrieg umfasst «Von Leidenschaften und Verlusten» ein großes Spektrum. Ob es ein 3. Buch von Martin Bartholme geben wird? Ich würde mich freuen.


«Trachselwald» von Peter Beutler

Peter Beutler habe ich bereits einige Male gelesen und jeder seiner Romane hat einen Bezug zur Wahrheit und zeigt teilweise skandalöse Zustände auf. Auch wenn «Trachselwald» als Kriminalroman benannt wird, sind die Abgründe, die sich hinter einem Mord im Jahr 1965 auftun, von viel größerer Erschütterung. Es geht um den Umgang mit Verdingkindern, die in dieser Zeit teilweise wie Vieh behandelt wurden und oft in menschenunwürdigen Verhältnissen leben mussten.
Ein ganz starker Roman. Gekauft hätte ich mir ihn aber sowieso: Auf Schloss Trachselwald, das auf dem Cover abgebildet ist, haben wir 2012 heiraten dürfen.


«Dunkelgrün fast schwarz» von Mareike Fallwickl

Was für ein starkes und abgründiges Buch der Österreicherin Mareike Fallwickl. In einem einsamen Bergdorf entwickelt sich von der ersten Begegnung an die Freundschaft zwischen zwei Jungen, die voller Abhängigkeit, Unzertrennlichkeit und Schmerz ist. Als diese Freundschaft durch ein Mädchen „vergrößert“ wird, nehmen auch die Verwundungen statt. Dann gibt es eine 16jährige Zeit, in der sie sich nicht begegnen. Bis sich die beiden Männer wieder begegnen und der schon als Kind Zerstörerische sich in das Leben des anderen frisst. Und später taucht wieder die seinerzeit 16jährige auf.
Ich musste das Buch immer wieder weglegen, weil es oft so viel Grausames und Verletzendes birgt und ebenso Leuchtendes und Leidenschaftliches. Das kommt definitiv in die Top 15 in 2024.