Sonntag, 11. Oktober 2020

Herbsterfüllungen

häuten

die sommerwächter verließen die tage gräser wurden hart und blüten verloren anmut und leuchten die luft löste ihr blau auf den wasser schwammen die blätter zur reuse weit hinter den wäldern ein sturm kam dann und wann auf trug die sehnsucht mit sich die nachsager hatten schon lange ihre identität aufgegeben und ihren freien willen an sprechfiguren verkauft in den nächten schwiegen die sterne wie immer ein baum wurde flüchtig und das meer wirkte ferner die durchwebten luftstoffe waren zerschlissen und nichts blieb von bestand


entblößen

die abnehmende zeit bringt die wahrheit schon lange ins licht pathogene müssen neu beschrieben werden die wahrheit ist variabel geworden mängellisten und prüfsteine sind die einzig verlässlichen bloßstellungen aber ich liebe die nackten ufer wenn die geheimnisse ans licht kommen und der sommer sich zurechtrücken muss in seiner vergangenheit die abwesenden stehen im kreuzfeuer längst haben die wahren komplimente ausgedient und sie glauben immer noch sie seien nicht durchschaut ich liebe die nackten felder und ich rieche an manchen tagen die kalte entblößte luft die eine schneeherde vorantreiben wird ich liebe den tag an dem sich der horizont unter die haut der erde begibt bedingungslos ohne schmerz und mit allen wunden und wundern der zeit



sammeln


ich schreibe die guten worte auf wer weiß wohin sich die zeit verändert zu viele stehen mit ihren einsamen entscheidungen hinter sich enthoben dem eigenen gefühl ich sammle umarmungen augenlächeln eine handreichung und freue mich am gefundenen wort ich lege wärmestellen an in meinem sprachgebrauch mitten im tag verschenkt sich die stunde unter dem lichtschirm gräser wachsen nochmal eine späte blüte wird zu einem unscheinbaren wunder am rand einer rastlosigkeit ich kündige misskredite überziehungen unterstellungen und die pläne einer unvollendeten reise ich sammle die freude auf wiedersehen auf zumutungen auf majestätische sommer auf lichtklänge und eine reise ins ungewisse mit dir


wärmen

hinter der herzkammer wohnen die guten erinnerungen manchmal sperrt sich ein weg auf den wir nicht kannten und es kehrt etwas zurück das in einer anderen zeit heimisch war wir geben der herkunft mehr als nur ein datum sie bleibt beständig und die kommemoration an die uns so bedeutenden menschen ein grab in der ferne dort wo die insel vom meer umspült sich eine prägung erneuert hier eine zeile und dort ein stundengebet hier meine unbedingte liebe und dort ein schatten deiner erhobenen wimper wenn mich mein schweigen erfüllt tauche ich unter im moos deiner armbeuge und deiner ungezügelten haut


Hermann Josef Schmitz